Eher zufällig hatte ich im Juni mitbekommen, dass nach dem wunderbaren Erstlingswerk ‘Fräulein Draußen — Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand’ ein neues Buch von Outdoor- und Wanderbloggerin Kathrin Heckmann ansteht. ‘Fräulein Draußens Gespür für Wildnis’ ist nun vor ein paar Tagen erschienen und ich habe es in nur drei ‘Sessions’ durchgelesen.
Waren es im ersten Buch noch jeweilige Befindlichkeiten, Lebenssituationen und Begleitumstände zu den Touren, die die weitgefächerten weltweiten Wanderberichte der Autorin als roter Faden durchzogen, so gruppieren sich in ihrem neuen Werk die Erzählungen um die vielen Blickwinkel auf den Begriff der Wildnis und deren Wesen und Erlebbarkeit.
Tatsächlich führt Kathrin Heckmann die Leserschaft aber nicht vordergründig in exotische Wanderziele in den entlegensten Winkeln der Welt, sondern es geht um das Erleben der Wildnis quasi ‘vor der Haustür’ in Deutschland. Zusätzlich gibt es dennoch meist zur Einsortierung des Grades an Wildnis und zum Aufzeigen von Parallelen bzw. als Kontrast die Erfahrungen aus erster Hand aus vielen anderen Trips, die sie bereits in zahlreichen Ländern europa- und weltweit unternommen hat.
Das thematische Spektrum ist außerordentlich vielseitig, sei es bezogen auf die betrachteten Regionen und Landschaften als auch auf den jeweiligen damit verbundenen Wildnisaspekt. Die Strecken reichen vom Grünen Band über den Heidschnuckenweg, den Albsteig und den Maximiliansweg bis zum Rennsteig, um nur einige zu nennen. Auch zurückgelegte Touren mit dem Fahrrad und dem Packraft sind enthalten.
Im Zentrum stehen dabei oft der gewollte Perspektivwechsel, das kompromisslose Sich-Einlassen auf die Umgebung und der Fokus auf das Hier und Jetzt. Betrachtet man die Natur konzentriert an den geeigneten Stellen und mit der richtigen inneren Einstellung in ihren Details, so ergeben sich selbst in den deutschen Kulturlandschaften Orte der Wildnis.
Dabei schafft es Kathrin Heckmann bravourös, weder zu stark in die spirituelle Naturpädagogik noch in den militanten Naturschutz abzudriften sondern den perfekten Mittelweg zu finden. Die einzelnen Kapitel präsentieren bestens anhand der darin konkret beschriebenen Touren die auf vielen Ebenen wunderbaren Beobachtungen in und Interaktionen mit der Natur, zeigen aber auch andererseits die Fragilität des Systems durch fehlgeleitete menschliche Eingriffe auf.
‘Nur wenn Menschen eine Verbindung zur Natur entwickeln, kann das Bedürfnis, sie schützen zu wollen, überhaupt erst so richtig entstehen.’ Ebenso wie in diesem Satz gibt es eine Unmenge an Erkenntnissen im Buch, bei denen ich beim Lesen dachte, dass ich sie exakt so formuliert hätte und vollkommen nachvollziehen kann. Der Respekt vor der Natur und deren Erhalt in freier Entfaltung — soweit jetzt und zukünftig möglich und nötig — wird eindrücklich und ohne erhobenen Zeigefinger aber mit passenden fachlichen Argumenten und Belegen plausibel vermittelt.
An vielen Stellen fühlte ich mich vom Stil her an den Klassiker ‘Vom Wandern — Neue Wege zu einer alten Kunst’ von Ulrich Grober erinnert, der es darin ebenso hinbekommt, fundiert wissenschaftliche und philosophische Betrachtungen mit Wanderbeschreibungen so nahtlos zu verflechten.
‘Ich stellte fest, dass es deutlich einfacher ist, das Wilde In einem Land zu finden, in dem Wildnis offensichtlich nicht existiert, als zuzugeben dass das, was man einst als wild erachtete, so wild gar nicht ist.’ schreibt die Autorin. Klingt vielleicht etwas verwirrend, bringt es aber auf den Punkt: die nächste Überraschung der Natur ist oft näher als man denkt und eben im besten Fall direkt vor der Haustür, man muss nur mit geschärften Sinnen die Umgebung neu wahrnehmen …
Mit genauso großer Freude, wie ich sie beim Lesen des Buches hatte, gebe ich die unbedingte Empfehlung dazu weiter, es selbst zu lesen. No shit, Sherlock!
Das Buch ist Ende Juli erschienen im Ullstein-Verlag: https://www.ullstein.de/werke/fraeulein-draussens-gespuer-fuer-wildnis/paperback/9783864931925
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