Sehr gespannt hatte ich auf dieses Buch gewartet, nachdem Wigald Boning in seiner typischen begeisternden Art kurz vor Veröffentlichung in einer Talkshow über seine verfassten ‚Gehmoiren‘ gesprochen hatte.
Wer die Laufbahn des bekannten Comedians über die letzten gut 20 Jahre verfolgt hat, weiß natürlich, dass bei diesem Buch keine knochentrockene akademische Abhandlung zu erwarten ist. Mit Sicherheit ist er ganz nebenbei inzwischen zum ernsthaften Extremsportler mit dem größten Understatement in Deutschland avanciert. Niemand schafft es so scheinbar mühelos, enorme körperliche Anstrengungen mit hohem Durchhaltepotenzial in witzige und skurrile selbstgewählte Herausforderungen zu verpacken und sie in diesem unnachahmlichen Stil zu beschreiben.
Und so ist es dann auch im neuen Buch: Wigald gelingt es im amüsanten Ton mit manchmal vielleicht etwas überladenen Wortspielen, auf die verschiedensten Zugänge zu den Formen der menschlichen Fortbewegung und ihr erweitertes Umfeld einzugehen. Wie für den Autor üblich ist die Spannweite enorm, von manchmal doch sehr platten Albernheiten (Listen von Kurzreimen mit deutschen Ortsnamen und etwas zu lange Schüttelreim-Gedichte zu Flüssen) über literarische Zitate bis hin zu wissenschaftlichen und philosophischen Belegen ist alles dabei.
Jedes Humorverständnis sollte bestens bedient werden, speziell wenn man den einzigartigen Mix aus altklugem Pennälerhumor und witzig verpacktem, blitzgescheitem Detailwissen wie bei Wigald Boning mag.
Ach ja, zum eigentlichen Inhalt: ums Wandern in der ursprünglichen Form geht es selbstverständlich auch, seien es die Wochenendtouren mit den Eltern in der Kindheit, ausgeprägtere Wanderurlaube und natürlich in erster Linie auch ‚Experimente‘. Das reicht hier von den Bewegungsformen im Alltag (Imitation der Gangart eines olympischen Gehers), der Besteigung der höchsten Erhebungen in allen 16 deutschen Bundesländern, wobei natürlich der legendäre Besteigungsversuch der Zugspitze in Stöckelschuhen nicht fehlen darf, über den Versuch einer 100-Kilometer-Wanderung bis hin zur Streckenwanderung über eine Marathondistanz in Holzschuhen.
Überhaupt werden die absurdesten Wanderutensilien fürs Bergwandern beschrieben, wie etwa der bekannte rote Aktentaschen-Rucksack, Gehrock und Klappzylinder sowie natürlich die legendären Badelatschen. Nicht zu vergessen auch der gänzliche Verzicht auf Ballast beim textilfreien Wandern in abgelegenem Terrain …
All das wird unterlegt mit meist unterhaltsamen Anekdoten aus Wigalds reichhaltigem Erfahrungsschatz, auch wenn ich mir inhaltlich oft ein wenig mehr Ernsthaftigkeit in der Gewichtung gewünscht hätte.
Am Ende ergibt sich so ein launiges und leicht konsumierbares Buch, das einen schönen, bewusst sehr übertriebenen Rundumschlag für Ansätze und Ausprägungen im Wanderbereich bietet und vielleicht sogar Personen in der Leserschaft zu eigenen höchstindividuellen Projekten und Zielen animiert.
Wie Wigald im Sinne Goethes schon zu Beginn schreibt: ‚… warte nur, bald wanderst auch Du!‘
Für mich gehört ‚Der Fußgänger‘ definitiv zur Ergänzung neben ‚Das neue Wandern‘ von Manuel Andrack sowie das von mir besonders geschätzte ‚Vom Wandern — Neue Wege zu einer alten Kunst‘ von Ulrich Grober ins Bücherregal eines jeden Wanderers.
Das Buch ist gerade frisch erschienen im Gräfe und Unzer Verlag:
https://www.gu.de/boning_der-fussgaenger/
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